
Behörden begründen die Ablehnung der Fundtieraufnahme leider oft falsch. Einige der häufig genannten Ablehnungsgründe und deren Richtigstellung haben wir im folgenden aufgeführt. Wir empfehlen den Behörden, sich bei Unsicherheit zu informieren, bevor eine falsche Auskunft gegeben wird. Eine Behörde ist verpflichtet, BürgerInnen korrekte Auskunft zu geben.
Ablehnungsgrund:
„Wer obhutlose Katzen füttert, wird zu ihrem Besitzer.“
Richtigstellung: Fütternde Personen gelten unabhängig vom Fütterungsort weder als Tiereigentümer noch als Betreuungspflichtige. Siehe Kurzstellungnahme der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. und weitere Information
Ablehnungsgrund:
„Die Kosten der Erstversorgung übernehmen wir nicht, da wir keine Kostenübernahme bestätigt haben.“
Richtigstellung: Wenn ein verletztes Haustier gefunden wird und der Finder oder Tierschutzverein nicht verfügbar ist, muss der Tierarzt helfen – und die Gemeinde muss dafür zahlen. Ein fundtierversorgungs-Vertrag mit einem Tierschutzverein genügt nicht, um die Gemeinde von dieser Verantwortung zu entbinden.
Niedersächsisches OVG, Urteil vom 23.04.2012 – 11 LB 267/11
Ablehnungsgrund:
„Scheue und streunende, wilde, verwilderte Katzen sind herrenlos und für herrenlose Tiere ist die Gemeinde nicht zuständig.“
Richtigstellung: BGB 960 Nr. 3: Nur Wildtiere können herrenlos sein. Katzen sind domestizierte Haustiere und haben demnach immer einen Eigentümer, auch wenn dieser nicht bekannt ist. Damit ist eine Gemeinde für alle Hauskatzen als Fundtiere zuständig, auch wenn diese scheu, streunend, wild oder verwildert daherkommen. Bei aufgefundenen Haustieren ist zunächst davon auszugehen, dass es sich um ein Fundtier – das verloren ging – handelt. Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass sie ausgesetzt oder zurückgelassen wurden, denn die Aufgabe des Besitzes verstösst gegen das Aussetzungsverbot (§3, Nr. 3 TSchG). Ein Haustier kann daher nicht herrenlos sein.
Ablehnungsgrund:
„Setzen Sie die Katzenwelpen wieder zurück – es könnte sein, dass die Mutter da noch ist.“.
Richtigstellung: Diese Aussage kann als Aufforderung zum Aussetzen nach § 3, Nr 3. TierSchG gewertet werden, was nach dem Tierschutzgesetz strafbar ist.
Ablehnungsgrund:
„Setzen Sie„Der Pflegezustand lässt nicht auf ein Fundtier schließen.“
Richtigstellung: Der ernährungs- bzw. krankheitsbedingte Zustand eines Tieres ist kein Indiz dafür, daß die aufgefundene Hauskatze nicht als Fundtier zu behandeln ist. Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz / 13.09.2017
Ablehnungsgrund:
„Da es sich um wilde Katzen bzw. auch oft bezeichnet als Wildtiere handelt, fallen diese ggf. unter das Jagdgesetz und dürfen insofern nicht einfach so aus der Natur entnommen werden.“
Richtigstellung: Katzen sind keine Wildtiere und fallen selbstverständlich nicht unter das Jagdrecht. Der Begriff der Jagdausübung wird im § 1 Abs. 4 Bundesjagdgesetz definiert: „Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild.“ Mit „Wild“ sind wildlebende Tiere gemeint, die nach § 2 Bundesjagdgesetz und nach entsprechend gesetzlichen Bestimmungen der Länder dem Jagdrecht unterliegen. Katzen sind demgegenüber – auch wenn sie (dazu Urteil BVerwG. von 2018), frei leben und dadurch als „verwildert“ gelten – kein Wild, sondern Haustiere.
Ablehnungsgrund:
„Wir können keine Fundtiere mehr aufnehmen, weil im Haushalt fehlen.“
Richtigstellung: Nach § 965 bis 984 BGB ist die Aufnahme, Unterbringung und tierärztliche Versorgung sowie die Eigentümersuche eine verpflichtende Amtsaufgabe. Die Kommune hat im Rahmen der Daseinsvorsorge dafür zu sorgen, dass Mittel für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt werden.
Ablehnungsgrund:
„Die Katze zeigte ein „Abwehrverhalten und musste mit der Lebendfalle eingefangen werden.“
Richtigstellung: Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine Katze aggressiv, scheu und mit Fluchtverhalten reagiert, wenn sie durch fremde Personen in eine unbekannte Transportkiste verbracht werden soll. Auch wenn das Tier mit Futter aus einem Versteck angelockt und eingefangen werden muss, ist von einem Fundtier auszugehen. OVG NRW, Az. 5B 1265/15 v. 01.08.2016
Ablehnungsgrund:
„Nicht füttern, dann verlaufen sie sich schon.“
Richtigstellung: „Das Hungernlassen eines Fundtieres kann u.U. zum Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung werden, wenn das Fundtier durch Verhungern verstirbt.” Aus dem Kommentar Lorz/Metzger 5. Aufl. S 75, RN 118 aus dem TSchG :„Unterlassene Hilfeleistung liegt vor, wenn jemand vorsätzlich bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist (§ 323c StGB). Befindet sich ein versorgungsbedürftiges Haustier an einem öffentlich zugänglichem Raum, besteht die Verpflichtung der Ordnungsbehörde, das Tier entweder selbst in Obhut zu nehmen und gemäß §2 Nr. 1 TierSchG art- und bedürfnissangemessen zu ernähren, zu pflegen und unterzubringen, oder diese Aufgabe durch ein Tierheim wahrnehmen zu lassen und dem Tierheimträger die entsprechenden Kosten zu erstatten.” „Das Füttern von freilebenden Katzen darf nicht verboten werden (vergl. AG Elmshorn 53 C 513/85 bestätigt durch OLG Schleswig 14.7.1988 – 14 U 91/87.)
Ablehnungsgrund:
„Wir sind für dieses Tier nicht zuständig.“
Richtigstellung: “Lehnt eine Behörde trotz entsprechender Unterrichtung ein Tätigwerden ab, so kann derjenige, der das Tier unterbringt und/oder behandelt, gegen sie einen Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) haben.” Hierbei geht es insbesondere um Maßnahmen, die unaufschiebbar sind.
GoA (§§ 677, 683, 670 BGB analog), Kommentar TierSchG 7. Auflage, RN 119
Eine Fundgemeinde hat festzustellen, welchen Fundtierstatus ein Fundtier erfüllt: Ist das Tier ausgesetzt, zurückgelassen, verloren gegangen oder entlaufen? Wenn die Fundbehörde belastbar festgestellt hat, dass ein Fundtier ausgesetzt oder zurückgelassen wurde, geht die Obhutsgarantenpflicht auf das zuständige Veterinäramt über, dass dann seinerseits ein OwiG-Verfahren einleiten kann. Für andere Fundtiere, auf die diese Beschreibung Anwendung finden, verbleibt die Fundgemeinde in der Verantwortung und ist für die tierschutzgemäße und tierärztliche Versorgung zuständig.
Ablehnungsgrund:
„Die Verpflichtung der Gemeinden zur Unterbringung und Betreuung von Tieren bezieht sich ausschließlich auf verlorene Tiere, die nach Besitzrecht besitzlos aber nicht herrenlos (ausgesetzt) sind.“
Richtigstellung: Nach den Vorschriften des BGB sind zunächst alle Haustiere, die innerhalb eines Gemeindegebietes aufgefunden werden, als sogenannte “Anscheinsfundsache” zu behandeln. Die bestätigt das höchstrichterliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Leiturteil vom 26.04.2018, Az.: 3C 24.1).
Ablehnungsgrund:
„Das regelt die Natur.“
Richtigstellung: Bei Ablehnung der Zuständigkeit kann auch eine strafrechtliche Relevanz durch Unterlassen der Amtsträgeraufgaben entstehen, wenn einem Tier dadurch weiter anhaltendes Leid oder Schmerzen im Sinne des Tierschutzgesetzes zugefügt wird. Das Unterlassen aufgrund der Garantenstellung kann einem aktiven Tun gleichgestellt wird (§ 13 StGB).
Ablehnungsgrund:
„Verwilderte Katzen sind Wildtiere. Sie können daher keine Fundtiere sein.“
Richtigstellung: § 960 BGB bezieht sich auf wilde Tiere. Wilde Tiere sind
nur diejenigen Tiere, die keine Haustiere sind…”
Palandt-Bassenge, BGB 74. Aufl 2015, § 960 Rn 2: Ein gezähmtes Tier im Sinne von § 960 Abs. 3 BGB ist ein von Natur wildes Tier, das durch lediglich psychische Mittel (Gewöhnung an den Menschen) die Gewohnheit angenommen hat, an den ihm bestimmten Ort zurückzukehren. Haustiere sind nicht gezähmte Tiere im Sinne von § 960 Abs. 3 BGB, sondern domestizierte und damit zahme Tiere. Die aus § 960 Abs. 3 BGB fälschlicherweise abgeleitete Argumentation, dass verwilderte Katzen bereits durch den Verlust der Gewohnheit, an den ihnen bestimmten Ort zurückzukehren, herrenlos werden könnten, übersieht, dass § 960 Abs. 3 BGB nur auf gezähmte Wildtiere und nicht auch auf Haustiere anwendbar ist. Bundestagsdrucksache 18/6620 v. 09.11.2015 (Antw. zur Frage 9)
Ablehnungsgrund:
„Es gibt zur Zuständigkeit für Fundtiere andere Urteile als das des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Wir halten uns an diese Urteile.“
Richtigstellung: Das Bundesverwaltungsgericht ist grundsätzlich Revisionsinstanz. Seine Aufgabe besteht vorrangig in der Wahrung der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts (…). Es prüft, ob die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte mit dem Bundesrecht […] vereinbar sind. Damit bestimmt es maßgebend dessen Auslegung und Anwendung. Quelle: Bundesverwaltungsgericht. Weitere Erklärung: hier
Ablehnungsgrund:
“Das Ordnungsamt muss erst eingreifen, wenn durch die Tiere die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört wird.”
Richtigstellung: „Eine unversorgte Hauskatze leidet im allgemeinen durch die Nichtversorgung in hohem Maße an Krankheiten, Parasiten und Hunger. Nach der Rechtsprechung stellt das Dahinsiechen einer unter erheblichen Schmerzen leidenden kranken Hauskatze einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar. Daraus resultiert die Zuständigkeit der Ordnungsbehörde, die durch Ergreifen geeigneter Maßnahmen diesen Zustand abstellen muss. Wenn die Hauskatze nicht einem eventuellen Eigentümer zugeordnet werden kann, ist es Aufgabe der Kommune, die auf ihrem Gemeindegebiet entdeckte Hauskatze entsprechend tierärztlich zu versorgen.“
OVG MVP v. 12.01.2011 – Az.: 3 L 272/06, Sozialgericht
Stralsund v. 26.09.1996 – Az:S 3a – Ar 204/94, VG
Göttingen v. 30.05.1994 – Az.: 7 E 358/92.
Ablehnungsgrund:
„Tiere sind per Gesetz eine Sache.“
Richtigstellung: § 90a BGB „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“